Chain-of-Thought Prompting: Wenn der Denkweg wichtig ist
Die meiste Zeit arbeite ich mit der KI so, wie man es erwarten würde: Ich stelle eine Aufgabe – die KI gibt eine Antwort.
Bei Routineaufgaben wie Textvarianten oder Formulierungen reicht das völlig. Aber manchmal reicht mir die Antwort nicht. Ich will verstehen, wie sie zustande kommt. Oder: Ich will, dass die KI nicht sofort zum Punkt kommt, sondern erst einmal mitdenkt.
Genau dafür gibt es Chain-of-Thought Prompting. Ich habe diese Methode erst spät ernst genommen. Anfangs klang das für mich wie ein weiteres Buzzword aus dem KI-Kosmos.
Aber als ich begann, es bei redaktionellen Aufgaben oder in strategischen Textanalysen einzusetzen, habe ich gemerkt: Es verändert den gesamten Arbeitsprozess.
In diesem Artikel zeige ich dir, was Chain-of-Thought Prompting ist, wann ich es gezielt einsetze – und warum es oft nicht um die Antwort geht, sondern um den Weg dorthin.

Was Chain-of-Thought Prompting eigentlich bedeutet
Chain-of-Thought Prompting heißt: Ich fordere die KI auf, ihre Antwort nicht direkt auszugeben, sondern Schritt für Schritt zu denken. Ich verlange also nicht nur ein Ergebnis, sondern einen Denkweg.
Das mag erst mal abstrakt klingen – wird aber sehr konkret, sobald man es ausprobiert.
Statt zu fragen:
„Für wen ist dieser Text geeignet?“
frage ich:
„Analysiere Schritt für Schritt: 1) Was ist das Thema? 2) Welche Sprache wird verwendet? 3) Welche Zielgruppe wird damit angesprochen?“
Die KI antwortet dann nicht nur mit „Zielgruppe: Führungskräfte“, sondern erklärt vorher, warum.
Sie nimmt sich selbst Zeit – und dadurch tue ich das auch.
In der Content-Arbeit nutze ich Chain-of-Thought vor allem dann, wenn ich nicht einfach nur einen Text brauche, sondern eine Einordnung, Bewertung oder Perspektive. Zum Beispiel:
- Wie wirkt dieser Text auf verschiedene Zielgruppen?
- Welche Aussagen sind implizit enthalten?
- Ist der Aufbau überzeugend – und warum (nicht)?
All das funktioniert besser, wenn die KI nicht „vorschnell“ antwortet, sondern strukturiert denkt.
Für mich ist Chain-of-Thought Prompting keine Methode, um Texte zu generieren – sondern ein Werkzeug, um Entscheidungen und Argumente transparenter zu machen.
Es hilft mir, besser zu verstehen, wie die KI arbeitet – und gibt mir die Möglichkeit, gezielter einzugreifen.
Wie Chain-of-Thought Prompting technisch funktioniert – verständlich erklärt
Große Sprachmodelle wie GPT-4 erzeugen Text, indem sie Wort für Wort vorhersagen, was am wahrscheinlichsten als Nächstes kommt. Normalerweise tun sie das sehr effizient – sie springen direkt zur Antwort.
Chain-of-Thought Prompting ändert daran nichts Grundlegendes – aber es verändert den Ablauf. Ich zwinge die KI, nicht das Endergebnis zu liefern, sondern vorher mehrere gedankliche Zwischenschritte einzubauen.
Das passiert nicht von allein. Ich muss es explizit fordern – z. B. mit Anweisungen wie:
- „Erkläre Schritt für Schritt…“
- „Denk laut nach.“
- „Führe eine Argumentation in mehreren Stufen durch…“
- „Welche Überlegungen führen zu diesem Ergebnis?“
Man kann sich das vorstellen wie eine gedankliche Gliederung. Statt:
„Antwort: Das ist Zielgruppe A.“
bekomme ich:
„1. Der Text spricht Problem X an. 2. Die Formulierung ist formell. 3. Es wird Fachwissen vorausgesetzt. → Daraus schließe ich: Zielgruppe A.“
Das funktioniert, weil Sprachmodelle gelernt haben, solche Denkwege zu imitieren – z. B. aus Foren, Lehrbüchern oder menschlichem Feedback.
Gerade durch das sogenannte Instruction Tuning und Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF) sind heutige Modelle gut darin, solchen mehrstufigen Aufforderungen zu folgen.
Wichtig ist: Die KI „versteht“ die Aufgabe nicht wie ein Mensch. Aber sie ist sehr gut darin, logisch wirkende Textstrukturen zu erzeugen, wenn ich sie dazu auffordere. Chain-of-Thought nutzt genau das – um der KI mehr Raum zum Denken zu geben.
Für mich heißt das: Je komplexer die Aufgabe – je mehr Argumente, Abwägungen oder Interpretationen nötig sind –, desto eher lohnt sich Chain-of-Thought. Es kostet Zeit, bringt aber Tiefe.
Typische Einsatzszenarien für Chain-of-Thought Prompting in der Content-Erstellung
Ich setze Chain-of-Thought Prompting nicht ständig ein – aber bewusst. Immer dann, wenn ich nicht einfach nur eine Textausgabe, sondern eine nachvollziehbare Argumentation oder Analyse brauche. Hier ein paar typische Fälle:
Zielgruppen aus Texten ableiten
Statt nur zu fragen „Für wen ist dieser Text geeignet?“, baue ich die Aufgabe in Schritte auf:
Prompt:
„Analysiere den Text in drei Schritten: 1) Welches Thema wird behandelt? 2) Welche Sprache wird verwendet? 3) Welche Zielgruppe wird angesprochen – und warum?“
Ergebnis:
Die KI liefert eine differenzierte Einschätzung – inklusive sprachlicher Hinweise, Tonalitätsbezug und Begründung der Zielgruppe.
Aussagen und Implikationen erkennen
Manchmal interessiert mich nicht, was explizit gesagt wird – sondern was mitschwingt. Auch das lässt sich als Denkprozess anlegen.
Prompt:
„Welche impliziten Botschaften stecken in diesem Text? Denk Schritt für Schritt: Was steht direkt da, was wird vorausgesetzt, was bleibt unausgesprochen?“
Ergebnis:
Die KI analysiert Haltung, Sprachebene, Auslassungen – und liefert oft neue Perspektiven, die ich vorher übersehen hätte.
Textqualität begründet bewerten
Ich lasse die KI manchmal einen Entwurf bewerten – aber nur, wenn sie nicht einfach „gut“ oder „nicht gut“ sagt, sondern mir Kriterien liefert.
Prompt:
„Bewerte diesen Text in drei Aspekten: Verständlichkeit, Zielgruppenpassung, sprachlicher Stil. Begründe jede Einschätzung.“
Ergebnis:
Ich erhalte eine strukturierte Rückmeldung, die sich für Redaktionsbesprechungen oder Optimierungen nutzen lässt – nicht perfekt, aber brauchbar.
Redaktionsentscheidungen vorbereiten
Gerade bei Formatüberlegungen oder Themenansätzen hilft mir Chain-of-Thought, wenn ich mehrere Optionen abwägen muss:
Prompt:
„Vergleiche zwei mögliche Content-Formate: Whitepaper vs. Blogreihe. Denk laut: 1) Welche Zielgruppen erreicht man? 2) Welcher Aufwand entsteht? 3) Welches Format passt besser zu Thema XY?“
Ergebnis:
Die KI führt die Abwägung strukturiert durch – nicht immer richtig, aber nachvollziehbar. Und das hilft mir, meinen eigenen Entscheidungsprozess zu schärfen.
In all diesen Szenarien geht es mir nicht darum, dass die KI „richtig“ liegt – sondern darum, einen Denkraum zu öffnen, den ich dann selbst weiter ausfüllen kann.
Wann Chain-of-Thought sinnvoll ist – und wann nicht
Ich habe Chain-of-Thought Prompting erst zögerlich eingesetzt – vor allem, weil es länger dauert. Aber je öfter ich es bei Analyse- und Bewertungsaufgaben verwendet habe, desto klarer wurde mir: Es bringt Tiefe, wo einfache Antworten zu flach wären.
Trotzdem nutze ich es selektiv – und nie als Standard.
Wann Chain-of-Thought hilft
- Wenn ich Begründungen brauche.
Eine Antwort wie „Zielgruppe: Fachpublikum“ ist oft wertlos, wenn ich nicht weiß, warum. Chain-of-Thought liefert die Argumente mit. - Wenn die Aufgabe mehrere Denkebenen hat.
Bei redaktionellen Entscheidungen, Formatfragen oder Textkritik geht es nicht nur um Inhalte – sondern um Haltung, Wirkung, Struktur. Diese lassen sich in Einzelschritte zerlegen. - Wenn ich ein Modell kontrollieren will.
Die Schritt-für-Schritt-Logik macht es einfacher, Schwächen im Denkweg der KI zu erkennen – und gezielt zu korrigieren. - Wenn ich die Perspektive wechseln will.
Chain-of-Thought hilft mir, Fragen aus verschiedenen Richtungen zu durchdenken – zum Beispiel: Was denkt ein:e Leser:in mit wenig Vorwissen?
Wann Chain-of-Thought eher nicht passt
- Wenn die Aufgabe klar, einfach und standardisiert ist.
Für Umformulierungen, kurze Textvorschläge oder Social-Media-Snippets bringt „Nachdenken“ nur Ballast. - Wenn ich einfach nur Output brauche.
Will ich fünf Headlines oder Varianten von Calls-to-Action, ist Zero- oder Few-Shot deutlich schneller und zielgerichteter. - Wenn die Frage nicht zum Denken einlädt.
Nicht jede Aufgabe hat eine logische Kette. Manchmal ist die Antwort einfach geschmacklich, intuitiv oder spontan – da bringt das künstliche Nachdenken keine Tiefe, sondern gestelzte Texte.
Für mich heißt das: Chain-of-Thought nutze ich, wenn ich Qualität vor Tempo stelle.
Wenn ich Entscheidungen fundieren, Textwirkung besser verstehen oder die KI prüfbar machen will. Dann lohnt sich der Mehraufwand.
Chain-of-Thought vs. Tree-of-Thought – wann lohnt sich mehr Denkraum?
Der Unterschied klingt erst mal subtil: Chain-of-Thought heißt, ich lasse die KI eine Argumentationslinie Schritt für Schritt durchdenken. Bei Tree-of-Thought entstehen mehrere Denkpfade nebeneinander, die dann miteinander verglichen oder bewertet werden.
Aber in der Praxis macht das oft einen großen Unterschied. Gerade bei Aufgaben, bei denen es nicht nur eine Lösung gibt, sondern mehrere Perspektiven oder Optionen, stößt Chain-of-Thought schnell an Grenzen.
Ein einziger Denkweg bringt Tiefe – aber er bleibt linear. Die KI folgt einem Pfad – und übersieht mögliche Alternativen.
Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Ich lasse die KI regelmäßig Content-Formate für neue Themen entwickeln.
Mit Chain-of-Thought bekomme ich eine begründete Empfehlung – z. B. „Ein Whitepaper wäre sinnvoll, weil…“.
Aber wenn ich Tree-of-Thought nutze und sie auffordere, mehrere Ideen parallel zu entwickeln und gegeneinander abzuwägen, kommt deutlich mehr raus: unterschiedliche Formate, Argumente für und gegen jede Option – und am Ende eine begründete Auswahl.
Das ist für mich der Punkt: Chain-of-Thought bringt Struktur und Tiefe in einen Gedankengang. Tree-of-Thought erweitert das Ganze um Vergleich und Variation.
Trotzdem nutze ich Chain-of-Thought häufiger – weil es schneller geht und oft reicht. Wenn ich aber merke, dass ich Alternativen brauche oder mehrere Lösungspfade sichtbar machen will, steige ich auf Tree-of-Thought um.
Über die Unterschiede zwischen Chain-of-Thought und Tree-of-Thought Prompting habe ich übrigens einen eigenen Artikel geschrieben. Dort zeige ich konkrete Beispiele, wie man Denkpfade in Variationen organisiert – und wo sich der Mehraufwand wirklich lohnt.
Meine persönliche Erfahrung damit
Chain-of-Thought Prompting hat für mich einen Perspektivwechsel gebracht: weg vom reinen Output, hin zum Denkprozess. Ich nutze es nicht, um Inhalte schneller zu produzieren – sondern um Entscheidungen, Bewertungen oder Analysen fundierter zu machen.
Wenn ich klarer sehen will, warum die KI zu einem bestimmten Schluss kommt – oder wenn ich Argumente brauche, die ich weiterverwenden kann –, hilft mir der Schritt-für-Schritt-Ansatz. Er zwingt die KI zur Ordnung. Und mich auch.
Trotzdem bleibt es für mich ein Spezialwerkzeug. In der schnellen Texterstellung ist es zu aufwändig, oft auch unnötig. Aber wenn es um Wirkung, Zielgruppenlogik oder redaktionelle Abwägung geht, liefert es echten Mehrwert.
Mein Learning: Nicht jede Aufgabe braucht Denkprozesse. Aber manche werden erst dann wirklich brauchbar. Chain-of-Thought ist für mich genau dafür da: um aus schnellen Antworten durchdachte Hilfen zu machen.
Prompting-Methoden im Überblick
Im Prompting Hub für Content-Ersteller findest du eine vollständige Übersicht mit Methoden, Vergleichen und Entscheidungshilfen.
Diese fünf Artikel zeigen, wie sich verschiedene Prompting-Techniken in der Content-Erstellung gezielt einsetzen lassen – je nachdem, ob es um schnelle Ergebnisse, Stiltreue, Variantenvielfalt oder nachvollziehbare Argumentation geht:
- Zero-Shot Prompting
Keine Beispiele, nur eine klare Anweisung. Wann das reicht – und wie du die besten Ergebnisse bekommst. - One-Shot Prompting
Ein einziges Beispiel kann reichen, damit die KI Stil und Struktur besser trifft. So nutzt du One-Shot sinnvoll. - Few-Shot Prompting
Mehrere Beispiele helfen der KI, Muster zu erkennen – besonders bei Serieninhalten oder fein abgestimmten Formaten. - Chain-of-Thought Prompting
Nicht sofort zur Antwort springen, sondern Schritt für Schritt denken. Wie du damit fundierte Analysen und Bewertungen erzeugst. - Tree-of-Thought Prompting
Mehrere Denkpfade, bewusst gegeneinander abgewogen. Die Methode für konzeptionelle Entscheidungen und komplexe Vergleichsfragen.
Häufige gestellte Fragen (FAQ)
Was ist Chain-of-Thought Prompting genau?
Dabei wird die KI aufgefordert, eine Aufgabe in nachvollziehbaren Denkschritten zu lösen – statt direkt nur eine Antwort zu liefern.
Wann lohnt sich Chain-of-Thought in der Content-Erstellung?
Immer dann, wenn du Begründungen, Bewertungen oder strukturierte Analysen brauchst – z. B. bei Zielgruppenanalysen, Textkritik oder Formatvergleichen.
Wie formuliere ich Chain-of-Thought Prompts?
Nutze Formulierungen wie: „Denk Schritt für Schritt“, „Erkläre deinen Denkweg“, „Bewerte in mehreren Stufen“, „Führe eine Argumentation durch“.
Was ist der Unterschied zu Tree-of-Thought?
Chain-of-Thought folgt einem Denkpfad. Tree-of-Thought entwickelt mehrere Denkwege parallel – inklusive Vergleich oder Abwägung zwischen Alternativen.
Gibt es typische Fehler bei Chain-of-Thought?
Ja: zu offene Aufgaben, fehlende Struktur oder zu viele Schritte auf einmal. Es hilft, den Denkprozess klar vorzugeben – am besten als Liste.